All the fine winds gone
And this sweet world is so much older
Animals pull the night around their shoulders
Flowers fall to their naked knees
Here I come now, here I come
2023
Im Zentrum von Hofmanns Film steht eine apokalyptische Neuordnung. Alleine schon das Color Grading deutet darauf hin, dass die Künstlerin gar nicht erst von dualistischen metaphysischen Konzepten wie „Himmel und Hölle“ oder „Gut und Böse“ ausgeht, sondern von den verwickelten empirischen Realitäten des irdischen Lebens: Im Verlauf des Films verändert sich die Farbgebung subtil in Form eines Kontinuums. Die Figuren in der „Hyper Zone“ sind Charaktere, die die Wirklichkeit nicht durch erhabene Sprechakte ex nihilo kreieren, sondern, auf Trümmern stehend, durch Körperbewegungen und Gesten, durch Tanz und Kampfsport, durch Gestaltwandel und Identitätsveränderung, durch Experimente, Improvisation, Emergenz. Und wie die vier sich da an die Arbeit machen, entsteht eine Fülle von Möglichkeiten, aber auch von Unsicherheiten.
Wir leben in einer Zeit, in der sich Apokalyptik nicht nur auf die Klimakrise oder den drohenden globalen Krieg beziehen lässt, sondern auch auf die Fülle von Enden, die mit der ständigen Neubewertung der Realität in offenen Gesellschaften einhergehen. Hofmanns Protagonisten scheinen diesen Zustand zu verkörpern. Ein Ende nach dem anderen wurde diagnostiziert, verkündet, herbeigewünscht, und noch viele weitere werden diagnostiziert, verkündet, herbeigewünscht: das Ende der Geschichte, das Ende des Menschen, das Ende des Kapitalismus, das Ende der Wahrheit, das Ende der Ehe, das Ende des Patriarchats, das Ende der Illusionen, das Ende der Natur, das Ende der Demokratie... Dieser Karneval der Enden wird nicht nur von einem Karneval der Wiederkehr begleitet, sondern auch von einem Karneval der Auflösungen. Überall um uns herum lösen sich die Grenzen auf, die Gegensätze zerbröckeln. Die dualistische Ordnung der Geschlechter wird in Frage gestellt. Die dualistische Ordnung von Natur und Kultur ist umstritten. Die dualistische Ordnung von Moderne und Vormoderne wird angefochten. Darüber hinaus wird die modernistische Ordnung der Disziplinen und sozialen Systeme dekonstruiert: Mode verschmilzt mit Kunst, Wissenschaft geht in Aktivismus über, Politik wird zu Ökonomie, Trans-, Inter- und Multidisziplinarität sind angesagt. Hofmanns stark stilisierter Film synthetisiert und überblendet Elemente von Modeclips, Videokunst, Musikvideos. Es ist unklar, welchem Genre er eigentlich angehört – am ehesten einem, das sich gerade aufgelöst hat, oder vielleicht einem Hypergenre? So wie die Protagonisten zwischen Enden und Anfängen tanzen und Bewegungsabläufe einüben, befindet sich der Film selbst in einem Zwischenzustand; einem Zustand der Post-Oppositionalität, des Post-Antagonismus, gewissermassen der Indisziplinarität. (Text von Jörg Scheller)
Credits | Ein Film von https:// ANA HOFMANN | Performance MARTINA MOMO KUNZ, REBEKA MONDOVICS, ALINE PETRÒ, FABIENNE WATZKE, SONGHAY TOLDON, TIM BETTERMANN, BENJAMIN BURGER, BENJAMIN SPINNLER | Kamera MICHAEL SCHWENDINGER, SIMON BITTERLI | Musik und Sounddesign PASCAL JENS-LUND | Schnitt und Montage FELIX HERGBERT | Color Grading JÜRGEN KUPKA | dramaturgische Beratung DIMITRI STAPFER | Choreografie REBEKA MONDOVICS | Kostüm HENRIETTE-FRIEDERIKE HERM | Maske SILVANA BÜSCH, NINA ZOGG | Kuration und Text OLIVER RICO | Regie und Schnitt ANA HOFMANN