Stylekultur jugendlicher türkischer Postmigranten
2014
Jugendliche mit Migrationshintergrund sind in der Soziologie ein häufig behandeltes Feld, vordergründig aber mit dem Schwerpunkt auf Schwierigkeiten der Integration in die Gesellschaft. Bislang wurde kaum wahrgenommen und wertgeschätzt, dass ein postmigrantisches Bewusstsein mit kulturell-kreativem Potenzial existiert. Dieses Potenzial verbirgt sich in der Kultur des Herkunftslandes der Elterngeneration einerseits und andererseits in sozialen Kontakten ihres Umfelds. Dies bringt hybride Identitäten hervor. Eine Projektionsoberfläche für diese Identitäten findet sich in der Mode bzw. der Kleidung. «I’m so Immigrate – Stylekultur jugendlicher türkischer Postmigranten» erforscht, wie diese mit ihrer hybriden Identität innerhalb der Mode umgehen, welche spezifischen Details sich entwickeln, welche Kleidercodes sie belegen bzw. neu besetzen und welche Statussymbole relevant sind. Die gesellschaftliche Wahrnehmung und die Selbstinszenierung dieser männlichen Jugendlichen in ihrem Wechselspiel sind ein wesentlicher Bestandteil der Forschung. Auf der Basis von Fotografien junger türkischer Postmigranten in Zürich und anhand von Bildmaterial aus ihrer Alltags- und Lebenswelt im Social Web werden kleidungsspezifische Zeichen sichtbar gemacht, decodiert und transformiert. Es bündelt das gewonnene Bildmaterial und die diversen Erkenntnisse in den Teilbereichen Milieu, Migration und soziale Identität; Identität und Mode sowie Stylekultur von Kopf bis Fuß.
Die Forschungsarbeit hat die Stylekultur jugendlicher türkischer Postmigranten entschlüsselt und sichtbar gemacht. Wie sich in der theoretischen Ausarbeitung gezeigt hat, ist die Bekleidungskultur sowohl von der Gesellschaft als auch von Markenlabels bislang unbeachtet und unterschätzt. Die Gestaltung soll dieser Vernachlässigung entgegenwirken und eine Aufwertung der Stylekultur junger türkischer Postmigranten generieren. Wie ist es nun also möglich, die Migrationsästhetik zu einer Modeästhetik zu erheben? In diesem Fall soll die Sprache und Identität der Modebranche als Aufwertungsstrategie dienen. Dabei haben sich folgende Tools herauskristallisiert: Das Fashionmagazin, die Modefotografie und die Aneignung eines Stils durch Mode Design. Die Gestaltung der Forschungsarbeit «I’m so Immigrate – Stylekultur jugendlicher türkischer Postmigranten» ist Teil dieser Strategie. Mit der Aufnahme der Straßenporträts wurde der Stil eines bekannten Modeblogs «Facehunter» nachgeahmt. Damit unterscheiden sich die Bilder wesentlich von Bildern aus der Gruppe jugendlicher Postmigranten, die auf Facebook oder in Internetforen kursieren. Facehunter ist ein Modeblog, auf dem Menschen mit außergewöhnlichen Bekleidungsstilen auf der Straße fotografiert werden. Dabei stehen vor allem die Mode und Accessoires im Fokus. Die Forschungsarbeit ist in dem Format eines Fashionmagazins gestaltet, in dem neben der theoretischen Ausarbeitung visuelle Elemente eine wesentliche Rolle spielen. Werbung, Stylingtipps und Referenzen werden miteinbezogen. Eine erste Vorlage zur Aneignung der Stylekultur junger türkischer Postmigranten ist damit gegeben. Denn die Kollektion «Vallah Geil!» geht in der praktischen Übersetzung noch einen Schritt weiter, indem sie ein Aneignungstool und Vermittlungskonzept ist.
Credits | MASTER DESIGN Field of Excellence Ereignis, Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) | FOTOGRAFIE Simon Habbegger | FOSCHUNG/ UMSETZUNG Henriette-Friederike Herm ÜBERSETZUNG türkisch-deutsch Yelda Yilmaz | KORREKTUR Mareike Teigeler, Ilona Himmelberger | MENTOREN Bitten Stetter, Francis Müller |